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Zusatzinformationen
24.07.2018

120 Jahre Mariengrotte in der Koppenlohe - Festprogramm

Nur noch wenigen Bürgern dürfte bekannt sein, dass alle katholischen Einwohner der Stadt bis zum Ende des 1. Weltkriegs zur Leonberger Pfarrei gehörten. Die Pfarrei St. Leonhard betreute neben Leonberg seelsorgerisch die Kirchenmitglieder in den früheren Gemeinden Ibenthann (seit 1938 in Maxhütte umbenannt), Pirkensee, Meßnerskreith und Ponholz, obwohl durch die Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Einwohnerzahlen stark gewachsen waren. Da sich kurz vor dem 1. Weltkrieg Umbau- oder Neubaupläne in Leonberg zerschlugen, blieb das Raumproblem bis zum Beginn der zwanziger Jahre eine drängende Frage für die katholische Bevölkerung. Der erste katholische Kirchenneubau im Kernbereich der Stadt, also auf dem Gebiet der früheren Gemeinde Ibenthann, entstand erst 1922. In diesem Jahr erfolgte die Grundsteinlegung für die heutige Friedhofskirche. Die Kirchenbauten St. Barbara, die Christ-König-Kirche in Pirkensee und St. Josef in Rappenbügl entstanden erst nach dem 2. Weltkrieg.

Tatsächlich stellt damit die evangelische Segenskirche, die 1891 geweiht wurde, neben Leonberg das älteste Kirchengebäude im Zentrum von Maxhütte-Haidhof dar. Vollends in Vergessenheit geraten ist jedoch, dass bereits 1898, also sieben Jahre nach der evangelischen Kirche, in Koppenlohe eine katholische Kapelle geweiht worden war. Das katholische „Regensburger Morgenblatt“, das politisch dem (katholischen) Zentrum bzw. der Bayerischen Volkspartei nahestand, berichtete darüber am 01.09.1898: „Ein Tag heitiger [Satzfehler,  richtig wahrscheinlich: heiterer] und hoher Freude war für die Bewohner der Maxhütte der vergangene Sonntag; konnte doch an diesem Tage ihr Herzenswunsch erfüllt werden, eine, wenn auch einstweilen kleine Stätte der Andacht und des Gebetes sich zu schaffen.“

Ausdrücklich wurde in dem Artikel erwähnt, dass es sich hier um eine Lourdes-Kapelle bzw. Grotte handelte und die Werksleitung der Maxhütte das Bauvorhaben „durch das dankenswerthe Entgegenkommen“ ausdrücklich unterstützt hatte. Der Grund dafür muss in der Zuspitzung der sozialen Frage am Ende des 19. Jahrhunderts gesucht werden. Unter den Arbeitern gewannen die SPD bzw. die ihr nahestehenden Gewerkschaften immer mehr Anhänger. Da die Abspaltung der KPD erst nach dem 1. Weltkrieg erfolgte, wies die SPD damals in vielen Bereichen eben nicht nur reformorientierte, sondern auch sozialistische Programmpunkte auf und verortete sich weltanschaulich weitgehend atheistisch. Eine solche Programmatik stieß logischerweise nicht auf das Wohlwollen der Geschäftsleitung der Maxhütte, die ihrerseits katholische, also kirchentreue und konservative Positionen förderte.

Zudem darf nicht vergessen werden, dass der von Reichskanzler Bismarck angezettelte Kulturkampf (1871-1878), der im protestantisch-preußisch orientierten Deutschen Reich Katholiken schwer benachteiligte, immer noch das Denken der Menschen bestimmte. Als Reaktion auf diesen kulturellen Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten, zwischen der oft nationalliberalen, bildungsbürgerlichen Elite und der einfachen Bevölkerung breitete sich im katholischen Milieu eine zunehmende Marienverehrung aus. Ihren Ausgangspunkt hatte diese katholische Reform- und Frömmigkeitsbewegung bei den Marienerscheinungen im französischen Lourdes (1858) genommen. Dazu traten später die Ereignisse im portugiesischen Fátima (1917). Wie populär diese Lourdes-Verehrung im deutschen Katholizismus war, beweist die Vielzahl der Marien-Kapellen, die im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts entstanden. 1884 ließ der Leonberger Gutsbesitzer, Heinrich Graf von der Mühle-Eckart, im Schloßpark in Pirkensee eine entsprechende Kapelle errichten. Im benachbarten Regenstauf wurde 1888 eine solche Grotte gebaut.

Nicht ohne Grund wurde die Kapelle in Koppenlohe auch in einem Artikel der (katholischen) „Burglengenfelder Zeitung“ vom 28.08.1998 als „Lourdes-Grotte“ bezeichnet.  Die Ereignisse in der französischen Kleinstadt boten sich in dieser Zeit beinahe idealtypisch an: Die Gottesmutter erschien einer armen Müllerstochter und eben nicht Angehörigen der kirchenkritischen Elite und Obrigkeit, die ihrerseits im Anschluss  Bernadette Soubirous bedrängten und verfolgten. Die Analogien zum deutschen Kulturkampf bzw. zur Situation der deutschen Katholiken im Kaiserreich waren offensichtlich. Im zweiten Weltkrieg wurde diese Geschichte von Franz Werfel, der als österreichischer Jude verfolgt wurde und emigrieren musste, zu einem Roman verarbeitet („Das Lied von Bernadette“) und 1943 in Hollywood verfilmt. Dies trug zu einer weiteren Popularisierung bei.

Die Mariengrotte in Koppenlohe – Katholische Frömmigkeit im Arbeitermilieu der Maxhütte

Die erste Kapelle (Grotte) in Koppenlohe wurde 1898 noch in Holzbauweise ausgeführt. Es sollte jedoch hinzugefügt werden, dass Maxhütte und v.a. Koppenlohe bis in die Nachkriegszeit nach dem 2. Weltkrieg eine Vielzahl von Holzbaracken aufwies, in denen die Arbeiter bzw. im Krieg Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter untergebracht wurden. Nach Kriegsende wohnten in den Baracken schließlich Heimatvertriebene, bevor sie in den 50er Jahren endgültig verschwanden. Ein Jahr nach der feierlichen Weihe bekam die Kapelle 1899 zusätzlich eine Glocke.

Die Marienkapelle überstand die beiden Weltkriege unbeschadet. 1954 wurde das Gebäude schließlich durch einen Steinbau ersetzt. Nach den Schrecken des Krieges bestand in diesen Jahren ein starkes Bedürfnis nach religiöser Sinnstiftung, was auch dem Katholizismus zugutekam, der in den 50er Jahren bei uns eine erneute Blüte erlebte. Marienfeste, z.B. Maiandachten, waren vielbesucht und Ausdruck der allgemeinen Volksfrömmigkeit. Zum Teil ging auch diese Bewegung wieder von Frankreich aus, die hier unter dem Schlagwort „Renouveau Catholique“ (Katholische Erneuerung) in Erscheinung trat.

Da sich das Grundstück mit der Kapelle im Besitz des Eisenwerks befand, geriet die Grotte  in den Strudel des Konkurses der Maxhütte im April 1987. Aufgrund dieser Ereignisse gelangte die Immobilie in den Besitz des Freistaates Bayern, der sich aber für den Erhalt nicht verantwortlich fühlte. Um hier Abhilfe zu schaffen, pachtete die Pfarrei St. Barbara mit ihrem Stadtpfarrer R. Gietl den Grund und führte 1992 zusammen mit der KAB eine umfassende Renovierung durch. Die Gefahr des Verfalls oder Abrisses war damit gebannt. Zusätzlich wurde auch eine neue Marienfigur angeschafft, so dass am 24.07.1992 Kapelle und Figur feierlich geweiht werden konnten. Besondere Verdienste erwarb sich dabei Ernst Weilhammer, der sich zusammen mit seiner Frau Hedwig 22 Jahre lang als Mesner in der Pfarrei St. Barbara ehrenamtlich engagierte. Seit 1988 kümmert er sich zusammen mit seiner Familie auch um die Kapelle.

2010 bot Bayern der Stadt das Grundstück zum Kauf an. Am 27.01.2011 beschloss der Stadtrat einstimmig den Ankauf. Heuer findet das 120-jährige Jubiläum der Mariengrotte statt. Dazu lädt die Pfarrgemeine am 20.07.2018 zu einem Festgottesdienst ein.


Quelle: Dr. Thomas Barth, Archivar (Mitarbeit: Ernst Weilhammer, Manfred Henn, Heimatpfleger)